Der Sportverein Blau Weiß Frankfurt (Oder) e.V. richtete in der Zeit vom 20. Juli bis zum 23. Juli das "International Summer Camp 2017" der "World Traditional Karate Organization" (WTKO) aus. 

Veranstaltungsort des Camps war die Brandenburg-Halle des Sportzentrums in der Stendaler Straße in Frankfurt (Oder). Für die Frankfurter war die Organisation und Durchführung dieses Camps eine große Ehre. Umso mehr scheute das Organisationsteam keine Mühe für rundum gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Sehr kostengünstige Angebote für Unterkünfte mit Frühstück, Mittagessen vor Ort, beste Trainingsbedingungen im Sportzentrum von Frankfurt (Oder) und ein tolles Seminarangebot unter erfahrenen Karatetrainern trugen entscheidend dazu bei, dass sich die rund 140 Teilnehmer aus England, Holland, Estland, Irland, Norwegen, Schweden, Schweiz und Deutschland in Frankfurt (Oder) wohlfühlen konnten. Von Beginn an beherrschte eine sehr angenehme und freundschaftliche Atmosphäre das Trainingscamp.

Dreimal täglich wurde in 3 verschiedenen Leistungsgruppen (Level I: alle Kyu-Grade; Level II: Shodan und Nidan; Level III: ab Sandan) trainiert. Als Trainer fungierten John Mullin 8.Dan (Executive Director WTKO) aus den USA, Richard Amos 7.Dan (Chiefinstructor WTKO) aus den USA, Scott Middleton 6.Dan (General Secretary WTKO) aus Kanada, Bruno Trachsel 7.Dan (Chefinstruktor der Swiss Karate Association und Mitglied des Zentralvorstandes) und Frank Herrmann 5.Dan (Bundesstilrichtungsreferent JKD im DKV) vom gastgebenden Verein. Jeder Trainer hatte seine ganz eigene und authentische Art der Wissensvermittlung, was das Training ungemein aufwertete. Es ging dabei nicht nur um ein bloßes Karatetraining, sondern in erster Linie um das Eintauchen in die Tiefe einer jeden Technik sowie das Lehren und üben von Prinzipien.

Erstmals als Trainer zu Gast in Deutschland war John J. Mullin (8. Dan). Mullin begann mit dem Karate in den 1960er Jahren. Er gehörte damit zu einer der ersten Generationen von Karateschülern, die von japanischen Trainern aus Übersee unterrichtet wurden. Er wurde später ein langjähriges, sehr erfolgreiches Mitglied der US-Nationalmannschaft und konnte auch in Japan große Turniersiege erzielen. So gewann er beispielsweise die All Styles Karate Championship in Yokohama 1985. Im Jahr 2002 trat er letztmalig in der JSKA World Championship in Deutschland erfolgreich bei den Veteranen an und gewann Gold in der Disziplin Kata.

Nach seiner zweiundvierzigjährigen Karriere in der JKA (Japan Karate Association) entschied Mullin sich für einen neuen Weg. Mit einigen anderen Instruktoren gründete er zusammen die WTKO.

In Frankfurt (Oder) brachte John Mullin viele neue Perspektiven für das Kumitetraining ein. Durch einfache Aufgabenstellungen veränderte sich die Qualität der Übung erheblich. Neben den Karateeinheiten gab Mullin auch Stunden im Iaido. Iadio bezeichnet den "Weg des Schwertziehens". Augenmerk liegt hierbei darauf, dass das Schwert noch während des Ziehens als Waffe genutzt wird. Diese Philosophie übertrug Mullin auch in sein Karatetraining. Was in der Ausführung des Meisters so einfach aussah entpuppte sich bei den Teilnehmern dann als sehr komplexe Bewegungsmuster, die man nur durch beständiges üben irgendwann beherrschen kann.

Einfach genial waren wieder einmal die Trainingsmethoden und logischen Erklürungen von Richard Amos zum Verstündnis aller Teilnehmer. Dabei bestach er nicht nur als Könner der Materie sondern vor allem durch seine sehr freundliche und charismatische Art. Amos, geboren 1963 in England, entdeckte seine Liebe zum Karate im Alter von 10 Jahren. Er gewann in Europa Gold-, Silber- und Bronzemedaillen bei zahlreichen Meisterschaften und Turnieren. Er trainierte im Hauptquartier der JKA in Japan für 10 Jahre und absolvierte dort das dreijährige Ausbildungsprogramm zum Instruktor der JKA. Er ist damit einer von 2 Nichtjapanern, die diesen Kurs in der fünfzigjährigen Geschichte erfolgreich absolviert haben. Auch in Japan platzierte er sich bei den All-Japan Championships mehrfach auf dem 2. und 3. Platz. Etwas das bis dahin kein Nichtjapaner geschafft hatte. Nach dem Programm unterrichtete er 6 Jahre lang mehrere Klassen im Hauptquartier der JKA und durfte seine eigene Schule in Tokyo eröffnen. Im Jahre 2000 zog Amos von Tokyo nach New York und ist Gründungsmitglied der WTKO. Er leitet dort als "Chief Instructor" das Ausbildungsprogramm für Trainer. Auch ist er der "International Director" der WTKO.

Der Schwerpunkt seines Trainings lag vor allem auf der Steuerung aller Techniken aus dem Körperzentrum heraus. "From of the floor, through the legs and out of the hip." (Aus dem Boden, durch die Beine und aus der Hüfte heraus.) war die Essenz seiner Einheiten. Mit einfachen Übungen baute Amos schrittweise Sequenzen und Partnerübungen auf. Diese, so zur Überraschung der Teilnehmer, waren Bestandteil der Kata "Unsu" (Wolkenhand). Ohne es zu merken wurde der Ablauf dieser anspruchsvollen Kata von den Teilnehmern erlernt. Amos zeigte damit deutlich, wie vielfältig Lehrmethoden sind und wie grundlegende Prinzipien zum Aufbau komplexer Übungen genutzt werden können.

Scott Middleton begann 1986, im Alter von 14 Jahren, Karate zu trainieren. Bereits 1991 graduierte er zum 1.Dan und leitete seinen eigenen Verein ein Jahr später. Auch Middleton zeichnet sich durch eine erfolgreiche Wettkampfkarriere aus. Er trat der WTKO 2006 bei und ist seit dem 10.04.2017 der "International Director".

Als Trainer überzeugt Middleton durch seine offene und frohe Haltung gegenüber den Teilnehmern. "You should not try to get upset over mistakes. The best environment to make mistakes is this place. Make mistakes, learn from them and go on!" ("Ihr solltet euch nicht über Fehler aufregen. Die beste Umgebung um Fehler zu machen ist hier. Macht Fehler, lernt aus ihnen und macht weiter!") Die Teilnehmer wurden während dieser Zeit von ihm sehr gefordert immer ihr Bestes zu geben. Immer 100% zu geben von allem was man hat, ist der Kern von Middletons Karatephilosophie. Wenn man verletzt ist und nur über 50% Leistungsfähigkeit verfügt, soll man auf anderem Niveau 100% geben.

Beim Training sich neu zu erfinden war ein weiterer wichtiger Punkt für Middleton: eine schüchterne Person kann ihre Kata oder Kumite selbstbewusst ausführen, während eine starke Person sich zurücknehmen sollte. Diese und viele weitere Ansätze haben die Teilnehmer begeistert aufgenommen.

Aus der Schweiz reiste Bruno Trachsel (7.Dan) an. Trachsel begann Karate 1977 zu trainieren und hat sich seitdem beständig um die Vervollkommnung dieser Kunst bemüht. Neben dem Karate fließen in sein Training Elemente des Krav Maga (hebräisch "Kontaktkampf") ein. Durch diese Kombination von Systemen kamen interessante Partnerübungen zu Stande, die vom gewohnten Schema stark abwichen. Besonders im Kumite waren Trachsels Anregungen den Teilnehmern leicht zugänglich und aufschlussreich. Jedoch das wichtigste aus dem Training Trachsels waren nicht die Techniken, Kombinationen: "Karate-Do gibt dir das zurück was du dem Karate-Do gibst. Nicht mehr und nicht weniger." war die wichtigste Aussage während des gesamten Trainings für die Teilnehmer. Eine Erinnerung, dass Erfolg oder Misserfolg nur bei ihnen und nicht im Karate liegen.

Ebenfalls als Trainer eingesetzt, war der Vorsitzende des Frankfurter Vereins, Frank Herrmann (5.Dan). Bevor er 1984 mit dem Karate- Training begann, konnte Frank Herrmann bereits auf eine relativ erfolgreiche Judo-Karriere zurückblicken. Seit 1989 ist er ehrenamtlich als Karateübungsleiter tätig, gründete die Karate- Abteilung des SV Blau-Weiß Frankfurt (Oder) e.V. und ist heute der Bundesstilrichtungsreferent der Stilrichtung JKD im Deutschen Karate Verband. Auch er zeichnet sich nicht nur als hervorragender Wettkämpfer, sondern auch als ein erstklassiger Trainer aus.

Seinen Schwerpunkt legte er im Training auf die Erarbeitung und Interpretation von Kata. Hierbei wurde seine Judoerfahrung spürbar, als er in verschiedenen Anwendungen Wurftechniken, Gelenkmanipulationen und Hebel einfließen ließ.

Täglich morgens um 9 Uhr vor den Trainingseinheiten gab es eine Yogastunde mit Yanti Amos, eine sehr erfahrene Yoga- Lehrerin, zur Einstimmung auf den Tag. Während dieser Klassen nahm Yanti (3.Dan Karate) Bezug auf die Philosophie des Yoga, die ähnlich wie im Karate das Individuum als Reisenden im eigenen Körper versteht. Yoga bezeichnet im weitesten Sinne den Zustand innerer Ruhe. Etwas das nach Richard Amos im Karate durch beständiges Training ebenfalls erreicht werden kann.

Einer der Höhepunkte des Sommerlagers war ein kleines Turnier am Freitag. Im freundschaftlichen Wettstreit traten hier Teilnehmer aus allen vertretenden Ländern an und maßen sich in Kata und Kumite. Auf eindrucksvolle Weise wurde hier dem Publikum verdeutlicht, wofür die Idee des Karate-Do steht: gegenseitiger Respekt sowie die Achtung der Gesundheit und Leistung untereinander.

Im Anschluss an die Siegerehrung erlebten die Anwesenden eine Überraschung und bewegenden Moment. Die WTKO ehrte Frank Herrmann mit dem Sony Kim Memorial Award. Diese Auszeichnung erinnert an den amerikanischen Instructor und internationalen Kampfrichter Sonny Kim, der 2015 im Polizeidienst ums Leben kam. Sonny Kim galt als ein strenger Karate-Sensei, der die Ideale des Karate-Do lebte. Er zeichnete sich durch Humanität, Zurückhaltung, Bescheidenheit und Respekt gegenüber jedem aus. Diese Auszeichnung wird jährlich an Menschen verliehen, die sich durch Humanität auszeichnen, den Karate- Charakter aus tiefsten Herzen herüberbringen, dabei aber immer zurückhaltend bleiben.

Keine Geschenke gab es bei den Dan-Prüfungen am Samstagabend. Nicht ein Prüfling zum Shodan, Sandan, Yondan bzw. Godan konnte die strenge Jury überzeugen. Lediglich 2 Prüflinge zum Nidan bestanden die sehr anspruchsvollen Prüfungen. Von den 2 deutschen Teilnehmern graduierte Daniel Nitsch aus Schwerin zum Nidan.

Bei einem solchen Event durfte natürlich keine Party fehlen. Am Samstag wurde bis in den nächsten Tag hinein bei einer zünftigen Grillparty im Eingangsportal der Brandenburg-Halle gefeiert. Als sehr ausdauernde Partymacher zeigten sich hier insbesondere die Holländer und Schweizer. Für klasse Musik sorgten die Band White Floor und ein DJ.

Am Ende der drei Sonntagstrainingseinheiten stand die Lust auf Mehr in den Gesichtern der Teilnehmer geschrieben. Leider hieß es aber Abschied nehmen. Begeistert nahmen die Teilnehmer das Gelehrte auf, blicken nach einem lehrreichen Trainingscamp mit vielen tollen Eindrücken sowie neuen Ideen motiviert auf das künftige Training im eigenen Verein und freuen sich auf die nächste Begegnung. Noch Tage nach dem Event schwärmten die Teilnehmer in unzähligen Nachrichten und bedankten sich bei den Frankfurtern für eine rund um top organisierte Veranstaltung.


Kenny Höber